Die Beteiligung an der Wintervogelzählung 2021 setzte eine neue Marke, auch für Darmstadt. Die Zahl der Beobachter/innen stieg auf mehr als das Doppelte gegenüber 2020. Viele nutzten offenbar die Beschränkungen wegen der Pandemie auf sinnvolle Weise.
Insgesamt wurden so natürlich viel mehr Vögel gezählt als in den Vorjahren. Doch wenn man die Zahl der Beobachtungsplätze einbezieht, waren es für viele Arten weniger Individuen als früher.
Generelle Zu- oder Abnahme der Vögel?
Seit der Rückgang der Vögel und der Vogelarten öffentlich debattiert wird, wenden sich immer mehr Anrufer/innen an den NABU, die nach Gründen fragen, warum sie keine oder nur wenige Vögel zu Gesicht bekommen. Diese Anrufe haben während der Winterfütterung wieder zugenommen. Doch diese Frage lässt sich nicht allgemein beantworten. Die Sichtung von Vögeln im eigenen Umfeld hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab:
Günstige Bedingungen für die Beobachtung von Vögeln:
· Uhrzeit: frühmorgens, wenn die Vögel munter werden (die Menschen möglicherweise noch nicht)
· Wetterlage: Windstille, milde Temperatur,
allerdings an der Winterfütterung auch Schnee, der viele natürliche Futterquellen bedeckt und die Vögel an die Futterhäuser treibt
· nahrungsreiche Umgebung, nicht nur mit Fütterung durch Menschen, sondern auch natürliche Futterreserven wie Heckenfrüchte, Samenstände, Laubdecke im Garten
· sichere Umgebung bei der Fütterung, freie Sicht für die Vögel, keine Katzen
Da die Daten der Vogelzählung nur pro Vogelart veröffentlicht sind, können die generelle Zu- oder Abnahme nur beurteilt werden, wenn die Daten für alle einzelnen Vogelarten erfasst werden. Das ist ein aufwändiges Unterfangen, auf das wir verzichten. Zu einzelnen Vogelarten, insbesondere zu Leitarten lässt sich durchaus etwas sagen.
Der Vergleich der Jahre 2021 zu 2015 zeigt überwiegend Rückgänge, mit auffälliger Zunahme bei Tauben. Größter Gewinner wären hingegen die Straßentauben, was auf einen erheblichen Einfluss der Menschen hindeutet. Besonders sticht hervor, dass die typischen Singvögel unserer Region fast alle deutlich seltener beobachtet wurden, wenn die Zahl der Beobachtungsplätze berücksichtigt wird. Wegen der Vielzahl der Beobachtungsplätze sollten diese Zahlen mit Vorsicht betrachtet werden.
Zur Rangfolge der beobachteten Vogelarten
Die Rangfolge der beobachteten Vogelarten ist kaum überraschend.
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á |
Zunahme > 50% |
ä |
Zunahme > 10 %, < 50% |
à |
Zu- oder Abnahme < 10% |
æ |
Abnahme > 10 %, < 50% |
â |
Abnahme > 50 % |
Vogelarten, die im Wald oder an Waldrändern leben und üblicherweise nur im Winter an die Futterplätze kommen, wurden 2021 weniger gesichtet. Diese Beobachtung lässt sich in der Region bereits für die Zeit bis Dezember feststellen. Kernbeißer, Eichelhäher, Haubenmeisen und Gimpel bleiben in ihrer natürlichen Umgebung, solange sie dort genügend Nahrung finden. In Wintern, in denen der Wald weniger zu bieten hat, findet man sie in größerer Zahl an Futterstellen in Gärten. Eine Ausnahme bilden Buntspechte, die offenbar bereits früh die leicht erreichbaren Futterquellen anfliegen.
Schwankungen bei Singvögeln entstehen auch dadurch, dass sie zu den sogenannten Teilziehern gehören. Dazu gehören auch Vogelarten, die bei uns brüten. Im Winter kommen jedoch Individuen aus Skandinavien und Osteuropa zu uns, während unsere Brutvögel weiter nach Süd- und Südwesteuropa ziehen. Der bisher milde Winter kann Vögel bewogen haben, nicht bis in unsere Region uns ziehen, womit sich eine Lücke auftun kann. Zu diesen Arten zählen z.B. verschiedene Meisenarten, Rotkehlchen, Erlenzeisige und Stare. Ein genaueres Bild über unsere heimischen Vögel erhalten wir erst bei der Zählung der Gartenvögel im Frühjahr.
Andere Vogelarten kommen nur zur Überwinterung nach Mitteleuropa und tauchen in den letzten Jahren nur noch vereinzelt im Rhein-Main-Gebiet auf. So wurden nur wenige Bergfinken bei der Vogelzählung erfasst. Bei Seidenschwänzen, die zu Beginn des Jahrtausends noch häufiger in Trupps in Darmstadt auftauchten, gab es keine einzige Meldung in Darmstadt und nur zwei im Landkreis. Hier zeigt sich die Folge des Klimawandels, der den Vögeln erlaubt, näher an ihren Brutgebieten zu überwintern.
Ob auch Vogelkrankheiten zu den Rückgängen beitrugen, lässt sich kaum beurteilen. Zwar sind betroffene Vogelarten wie Blaumeisen und Grünfinken tatsächlich seltener gesichtet worden, doch im Vergleich zu anderen Arten auch nicht auffällig weniger. Die Amseln, die in der Oberrheinebene seit Jahren mit einem Virus zu kämpfen hatten, tauchen in der Statistik sogar häufiger auf. Mehr Klarheit kann hier erst die Zahl der Brutvögel in der nächsten Brutsaison bringen. Auf die Hygiene an Futterstellen und insbesondere an Wasserstellen ist bei der Winterfütterung unbedingt zu achten, um die Weiterverbreitung von Viren und Bakterien zu unterbinden.